Georg Prack: „Lebenslange Verschuldung ist kein Ersatz für leistbaren Wohnraum“

Die Finanzmarktaufsicht hat im August strengere Bedingungen für Wohnkredite eingeführt: Obergrenzen bei der Laufzeit, ein höherer Eigenmittelanteil sowie ein Schuldendienst von maximal 30 bis 40 Prozent des monatlich verfügbaren Nettoeinkommens. Diese Maßnahmen sollen die Finanzmarktstabilität in Österreich sichern und die Haushalte vor Überschuldung schützen. Ähnliche Maßnahmen haben die meisten EU-Staaten bereits wesentlich früher umgesetzt.

Wenig überraschend laufen die betroffenen Branchen – Banken, Immobilienbesitz u. Bauwirtschaft – gegen die sogenannte KIM-Verordnung Sturm. Die Profiteure des Immobilienbooms der vergangenen Jahre wollen nicht wahrhaben, dass die fetten Jahre vorbei sind, und wieder kleinere Brötchen gebacken werden müssen.

Rezept der Finanzmarktkrise 2008

Dabei waren die neuen Vergabestandards ein längst notwendiger Schritt. Wenn wer der FMA einen Vorwurf machen kann, dann jenen, dass diese Regulierungsmaßnahmen so spät kommen. Die immensen Preissteigerungen für Immobilien und Boden, die Überhitzung der Baukonjunktur und die steigenden Kreditzinsen sind eine toxische Mischung.

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass die Branchen, die von massiv steigenden Preisen für Immobilien profitiert haben, nun fordern, dass die Schaffung von Wohnungseigentum „leistbar“ werden muss. Hohe Bodenpreise, hohe Baukosten und steigende Finanzierungskosten mit immer mehr Risiko bei der Kreditvergabe zu beantworten, ist genau jener Irrweg, der 2008 eine weltweite Finanzkrise ausgelöst hat: die Finanzierung von Haus- und Wohnungseigentum durch eine massive Überschuldung der Haushalte.

Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich, hatte im Interview mit Ö1 einen treffenden Vergleich parat: Die Kreditvergaberegeln immer risikoreicher zu gestalten, um mehr Haushalten Eigentum zu ermöglichen, das sei, wie wenn man auf eine höhere Schadstoffbelastung der Umwelt mit einer Erhöhung der Grenzwerte für diesen Schadstoff reagiere. Das Problem ist nicht gelöst.

Leistbarkeit braucht Regulierung

Es gibt aber auch Politiker:innen, die suggerieren, junge Familien könnten sich durch eine Aufweichung der Kreditvergaberegeln wieder Eigentum leisten. Ihnen fehlt es entweder an Sachkenntnis oder sie argumentieren bewusst verantwortungslos. Es mag politisch populär sein, zu fordern, dass die Kreditvergabe wieder gelockert wird. Aber lebenslange Verschuldung ist kein Ersatz für leistbaren Wohnraum.

Im Gegenteil: Die aktuelle Zinsentwicklung macht sichtbar, dass die Vergabe vieler Hypothekarkredite bisher nicht nachhaltig war. Deshalb kämpfen nun unzählige Haushalte mit hohen Kreditzinsen und müssen massive Einschränkungen ihres Lebensstandards in Kauf nehmen und im Worst-Case sogar den Notverkauf ihrer Wohnung oder ihres Hauses. Vor solchen Dramen müssen eine vorausschauende Politik und verantwortungsbewusste Regulierungsbehörden die Haushalte schützen.

Auch auf der Makroebene tut man den viel zitierten Jungfamilien keinen Gefallen, wenn die Immobilien- und Bodenpreise und die Baukosten mit Krediten, die auf einer Überschuldung der Haushalte aufbauen, weiter befeuert werden.

Erstens wird durch die Fortsetzung der Spekulation auf immer höhere Preise eine Immobilienblase aufgebaut. Das führt zu weiter steigenden Preisen, die die Haushalte noch weniger stemmen können. Und wenn die Blase platzt, sind viele Immobilien mit einem Schlag weniger wert, die Kredite schlecht abgesichert und Existenzen zerstört.

Zweitens fehlen öffentliche Mittel, die in Steuervergünstigungen oder öffentliche Garantien für Eigentumserwerb gesteckt werden – wie zuletzt von der niederösterreichischen ÖVP gefordert – für die Kernaufgabe des Staates: Die Förderung leistbaren Wohnraums im Rahmen der Wohnbauförderung.

Investitionen in leistbares Wohnen statt Kredit-Subvention

Es ist absehbar was die Lobby für eine Aufweichung der KIM-Verordnung fordern werden, wenn in den kommenden Jahren viele Haushalte am Bedienen von Krediten scheitern: Hilfspakete für in Not geratene Kreditnehmer:innen, subventionierte Moratorien, usw. kurz gesagt: Bailouts für die Banken.

Der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisenbank OÖ gab etwa in einem Zeit-im-Bild-2 Interview zu Protokoll, dass die stark steigenden Zinsen ein größeres Problem für viele Kreditnehmer:innen werden können und forderte gleichzeitig eine Aufweichung der Vergabestandards für Hypothekarkredite.

So verantwortungslos können Bankenvertreter:innen nur argumentieren, weil sie darauf spekulieren, dass die öffentliche Hand in Not geratenen Kreditnehmer:innen im Zweifel zur Seite springt. Klar ist auch: Dies wäre eine Umverteilung öffentlicher Mittel von unten nach oben, weil sich viele Bevölkerungsgruppen Eigentum nicht einmal im Ansatz leisten können, egal wie die Kreditvergaberegeln gestaltet sind.

Lebenslange Überschuldung der Haushalte schafft keine Leistbarkeit, sondern kann massives Leid bei den Betroffenen auslösen, eine Immobilienblase aufbauen und auf diesem Weg die Finanzmarktstabilität durch Hochrisiko-Kredite gefährden.

Deshalb sollte die öffentliche Hand in die Förderung von leistbarem Wohnraum investieren und regulierend auf die Preisentwicklung Einfluss nehmen, statt Jungfamilien Sand in die Augen zu streuen und sie mit falschen Versprechungen in den finanziellen Ruin zu treiben.

Georg Prack ist Landtagsabgeordneter und Wohnbausprecher der Wiener Grünen

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