Grund- & Bodenpolitik: Jeder Muss Wohnen!
Interview mit David Ellensohn zum Thema „leistbares Wohnen“ oder eine kurze Geschichte der grünen Partei (in Wien) – von Michael Josef Seiss
Geboren in London und aufgewachsen in Vorarlberg prägt David Ellensohn, spätestens seit er 2001 Gemeinderat wurde, die Wiener Grüne Partei. Er ist Vater von drei Kindern und verheiratet. Aktuell ist er als Klubobmann im Rathaus tätig und fällt immer wieder durch medienwirksame Auftritte zum Thema „leistbares Wohnen“ positiv auf.
Lieber David. Erzähl mir doch ein bisschen etwas über die Geschichte des Themas „leistbares Wohnen“ bei den Grünen.
In alten Parteiprogrammen kam dieser Begriff gar nicht vor. Mir war es bereits 1996 ein Anliegen (als Bezirksrat, Anm.) Soziales & Ökologisches zu verbinden. Damals verstanden die meisten Grünen Soziales als Engagement für das Schwächste 1% der Bevölkerung. Ich dachte mir: Die soziale Frage und damit leistbares Wohnen betrifft alle ab der Mittelschicht. Wir reden immerhin in Wien, abgesehen von den 10% die erben oder den 10% die genug Geld haben, von 80% der Menschen die der Mietpreis betrifft. Außerdem kann jede/r einen Unfall haben oder erkranken und dann auf leistbaren Wohnraum angewiesen sein. Es gab damals eine Zeitung der Wiener Grünen und in dieser schrieb ich Artikel zum Thema „leistbares Wohnen“, auch weil ich mich schon in meiner Zeit an der Wirtschaftsuniversität dazu publizistisch äußerte. So war es logisch dass ich 2001 (als Gemeinderat, Anm.) in der Themenaufteilung den Wohnausschuss bekam und auch Bernd Moidl, als Experte für Wohnrecht, im Klub angestellt worden ist.
Das heißt es wurde ein bisschen stiefmütterlich behandelt das Thema, damals?
Ja, leider. Dabei muss man sich vorstellen, dass in Wien jede 4. Wohnung im Gemeindebau ist. Wir reden hier von +200.000 Wohnungen. Unter Faymann (als amtsführender Stadtrat für Wohnbau, Anm.) hat die Stadt Wien dabei Wohnungen verkauft, ohne Ausschreibung und viel zu günstig. Wir haben dann mit den betroffenen Mieter*innen gesprochen, Medienarbeit dazu gemacht und erreicht, dass diese Verkaufspraxis abgestellt wurde. UDas war eine wichtige Kontrollarbeit., Es gab da auch einen blauen Bezirksvorsteherstellvertreter, im Keller von dessen Zinshaus Menschen – durchwegs männliche Migranten – wohnten unter unvorstellbaren Bedingungen zu hohen Preisen. Angeblich wusste er gar nichts davon. Er hat mich geklagt und hat verloren, genau so wie seine politischen Funktionen .
Kontrolle war also schon damals wichtig!
Absolut. Wobei so richtig Fahrt aufgenommen haben wir mit unserem 19 Punkte-Programm. Darin haben wir ausgeführt, wie wir das Soziale und das Ökologische verbinden. Das Ding haben wir auch „Leistbares Wohnen in Wien“ genannt. Von dort kommt der Begriff, den jetzt alle verwenden. Das war mehr als bloße Wahltaktik oder sonst was. Leistbares Wohnen für alle war und ist uns ein ganz zentrales Anliegen. Man muss sich vorstellen, dass da ein Drittel bis zur Hälfte des Haushaltseinkommens für das Wohnen draufgeht in Österreich – die Betriebskosten inkludiert.
Das klingt doch nach einem Ruf an Bundespolitik. Wie hat die Bundespartei auf euch reagiert?
Positiv. Ich habe überall wo ich vertreten war, also auch im Bundesvorstand das Thema eingebracht und eben verdeutlicht, dass in der Bauordnung oder der Widmung oder dem Bauen selbst neben der Ökologie natürlich auch viel Soziales mit einfließt. Jeder muss wohnen! Mit Albert Steinhauser war das Thema dann auch im Bund gut vertreten. Heute gibt’s mit Georg Willi in Innsbruck, Christoph Chorherr bzw. Peter Kraus in Wien oder Nina Tomaselli in Voralberg viele wichtige Vertreter*innen des Themas. Es ist österreichweit angekommen: Wohnen ist ein Grundrecht und muss leistbar sein.
Wie kann dies Realität werden?
Nun, klar ist: Am freien Markt wird man ausgenommen. Dabei sind heute in Wien 80/90 Prozent der Wohnungen freifinanziert. Weil du vorher nach dem Bund gefragt hast, in Österreich lebt auch noch ca. die Hälfte im Eigentum, während es in Wien nur 20% sind. Meine Antwort gilt also vor allem für Wien und hier muss das Verhältnis von gefördertem / leistbarem zu normalem / frei finanziertem Wohnbau wieder umdreht werden. Das ist überlebenswichtig für diese Stadt. Mit der neuen Bauordnung machen wir einen wichtigen Schritt dorthin.
Nun ist es so, dass ich mir denke: Da können doch nur alle einer Meinung sein. Wie reagieren die politischen Mitbewerber?
Also in Wien ist die ÖVP die Interessensvertretung der Immobilienwirtschaft und der Eigentümer*innen. Sie ist eine klare Gegnerin jedes fairen Wohnrechts. Die NEOS haben eine rosarote Brille. Die wollten unlängst im Nationalrat per Antrag ernsthaft die Herabstetzung der Mindestbefristung bei Mietverträgen auf 6 Monate als Wohnraumschaffung und Verbesserung verkaufen. Da können wir uns gleich alle bei airbnb einmieten. Die FPÖ gibt sich als Partei des kleinen Bürgers, aber im Bund haben Sie z.B. die BUWOG-Wohnungen verkauft. Im Burgenland waren sie mit der SPÖ dabei, tausenden Genossenschaftswohnungen den Gemeinnützigkeitzsstatus abzuerkennen. Dieselbe SPÖ zuletzt baut auf ihren unbestritteten historischen Erfolg, das „Rote Wien“ und hat ein Themenbewusstsein für die Fragen des leistbaren Wohnens. Das sehen wir auch bei gemeinsamen Maßnahmen in der grün-roten Wiener Koalition. Aber auf der anderen Seite hat sie sich auch das Thema in der großen Koalition im Bund immer abkaufen lassen. Die Verschlechterungen im Mietrecht der letzten Jahrzehnte wurden bis auf wenige Ausnahmen durch die SPÖ mitgetragen. Die Freigabe der Befristungen war der Anfang vom Ende des Mieter*innenschutzes, das Richtwertgesetz usw. Da kommt das Dilemma der Zusammenarbeit mit der ÖVP zum Tragen.
Was haben die Wiener Grünen erreicht?
Nun z.B. am Gelände des ehemaligen Otto-Wagner Spitals ist es uns zu verdanken, dass wir den Bauträgern ein Baurecht gegeben und nicht den Grund und Boden verkauft haben. Städtischer Grund als Baurecht sichert die langfristige Mitsprache, daher haben wir das Prinzip Baurecht statt Verkauf unserem Koalitionspartner schmackhaft machen können. Auch die Initiative für den Bau neuer Gemeindewohnungen geht maßgeblich von uns aus. In der neuen Bauordnung dann haben wir dann, danke an Christoph Chorherr, festgelegt, dass gewisse Prozente eines Wohnbaus für leistbares Wohnen reserviert sein müssen. Das bringt auch ein Neben- und Miteinander der Bevölkerung mit sich, die gut sind für diese Stadt.
Danke David. Zum Abschluss noch ein paar Worte?
Leistbares Wohnen erreicht man damit, wenn das Gute also preisgeregelte ältere Wohnungen, seien es nun Altbau- oder Genossenschaftswohnungen, erhalten bleiben und neuer, geförderter Wohnraum geschaffen wird. Beides setzen wir Wiener Grüne um.