Boden für Alle. Eine Ausstellungsempfehlung

Im AzW, dem Architekturzentrum Wien, läuft noch bis 14. April 2021 die sehr sehenswerte Ausstellung „Boden für Alle“. Grund ist keine beliebig vermehrbare Größe, so wie Jogurt oder Pullover, weshalb damit besonders sorgfältig im Verbrauchen umgegangen werden sollte.

Die Coronapandemie hat Alternativen zum bisherigen Lebensstil aufgezeigt und zum Erproben gebracht. Durch „Remote“ Arbeiten, und -Lernen könnte der ländliche Raum eine Aufwertung erfahren und damit nach Jahrzehnten fehlender Investitionen davon profitieren.

Entlastung der städtischen Infrastrukturen und Immobilienpreise wären erfreuliche Aspekte. Aber Vorsicht und vorrausschauende Planung sind notwendig, um weiteren Flächenfraß im ländlichen Raum und Missbrauch von Wohnraum als Betongold zu vermeiden. Nur zwei von vielen Gründen für – endlich – eine mutige Bodenpolitik zu realisieren.

„Boden für Alle“ liefert dazu Argumente und zeigt Handlungsmöglichkeiten auf. Die Ausstellung ist nach Themen wie: „Die Ware Boden und warum Boden kein Jogurt ist“; „Die Stadt, ein Gemeingut, verschandelt, verschleudert, verbaut“; „Schluss mit dem Bodenfraß“, „Oh Du mein Österreich“, „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“, sehr übersichtlich, edukativ und nicht überfrachtet, gestaltet.

Auch sehr beeindruckende best practice Beispiele aus Seoul, Forschungsbauernhöfe oder gemeinschaftliche Quartiersentwicklung – mutmachend – werden gezeigt.

Zwei Zahlen: Pro Minute werden in Österreich 9,89m2 Straße gebaut, würde man alle EinwohnerInnen Österreichs auf die existierenden Ein- und Zweifamilienhäuser verteilen, gäbe das einen Schlüssel von 4,16 EinwohnerInnen pro Wohneinheit.

Es gibt viel zu lesen, zu hören, zu schauen, es braucht Zeit, aber es lohnt. Der Katalog kostet 38€, aber auch der lohnt. Ich gehe jedenfalls noch ein zweites Mal, nach dem dritten lock down, hin.

Dieter Scholz 
Siehe auch Standard Sa. 19, 12. 2020, Album A8: Monopoly für Politiker

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