Lagezuschläge in Wiener Gründerzeitvierteln?

von Dieter Scholz

Gründerzeitviertel sind Wohngebiete, deren Bausubstanz zu 50% zwischen 1870 und 1917 errichtet wurde. Dazu gibt es ein amtliches Straßenverzeichnis der Gründerzeitviertel in Wien. In diesen ausgewiesenen Wohngebieten sind Lagezuschläge, die nur für eine überdurchschnittliche Wohnlage verlangt werden können nicht zulässig. Wenn für eine Wohnung in einem Gründerzeitviertel trotzdem ein Lagezuschlag verrechnet wird, kann man den Vertrag durch die Schlichtungsstelle überprüfen lassen. Aber auch wenn die Schlichtungsstelle den Lagezuschlag als rechtswidrig erkennt, hat der Vermieter das Recht, den Gegenbeweis anzutreten, nämlich, dass die Liegenschaft doch nicht in einem Gründerzeitviertel liegt oder sich das konkrete Wohnviertel von einer durchschnittlichen Lage zu einer überdurchschnittlichen entwickelt hat.

Nach Einspruch des Vermieters wurde in einem konkreten Fall vom Bezirksgericht ein Sachverständiger beauftragt, der beurteilen sollte, ob hier ein Lagezuschlag, da doch kein Gründerzeitviertel, gerechtfertigt ist. Dies war kostenintensiv. Das Ergebnis: Von 79 im Umkreis liegenden Gebäuden waren 46% zwischen 1870 und 1917 gebaut, 14% nach 1917. Da also weniger als die Hälfte Gründerzeithäuser waren, die Schlussfolgerung: Kein Gründerzeitviertel. In realiter hatte der Sachverständige alle vor 1870 gebauten Häuser nicht berücksichtigt. Denn wenn nur 14% nach 1917 gebaut wurden, bedeutet das, dass 86% der Gebäude älter waren. Zwar hatte sich das Bezirksgericht dem Gutachten angeschlossen, aber ein Rekurs beim Landesgericht brachte die Wende. „Aus dem Umstand, dass ein sehr hoher Anteil des Gebäudebestandes sogar noch älterem Datum ist, als vom Gesetz verlangt, kann nicht abgeleitet werden, dass sich die Lage damit verbessern würde. Wenn schon bei einem überwiegenden Gebäudebestand aus der Zeit von 1870 bis 1917 mit im Errichtungszeitpunkt überwiegend mangelhaft ausgestatteten Wohnungen, eine Lage als höchstens als durchschnittlich anzusehen ist, kann nicht ein noch älterer Gebäudebestand als Argument herangezogen werden, die Lage per se als höherwertig anzusehen“ Dem schloss sich das Landesgericht an. (Quelle: Fair Wohnen 09.2018, Mietervereinigung (www.mieterverinigung.at) )

Es gilt, dass den Vermieter die Beweislast trifft, nachzuweisen, dass konkrete Umstände die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage erlauben. Der Mieter muss bei Zustandekommen eines Mietvertrages darüber informiert werden.

Weitere Informationen:
https://www.wien.gv.at/wohnen/wohnbautechnik/ahs-info/lagezuschlagskarte.html
https://www.wien.gv.at/wohnen/wohnbautechnik/pruefen/mietzinsberechnung.html
https://www.wien.gv.at/amtshelfer/bauen-wohnen/wohnbautechnik/berechnung/lagezuschlag.html

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