Gentrifizierung: Kann Wohnungspolitik Verdrängung verhindern?

Es ist unter Wissenschaftlern umstritten, ob Gentrifizierung, also die unerwünschte Verdrängung der Wohnbevölkerung aus Stadtvierteln, die aufgewertet wurden, in Wien überhaupt ein Thema ist, das es lohnt untersucht zu werden.

Schließlich gibt es in Österreich ja ein starkes Mietrecht, das Kündigungen erheblich stärker einschränkt als in anderen Ländern, und die Stadt Wien investiert auch deutlich mehr als vergleichbare Städte in den Wohnungsneubau und in Sanierungen. An der Postleitzahl ist in Wien der soziale Status nicht zu erkennen, auch da gibt es signifikante Unterschiede zu vergleichbaren Städten.

In der lesenswerten Studie „Wie Verdrängung verhindern? Eine kritische Betrachtung der Wiener Wohnungspolitik“ untersucht Justin Kadi die aktuelle Situation. Der vordergründige Schluss: Ja, Wien verfügt über ein wohnungspolitisches Arrangement, mit dem immobilienwirtschaftliche Aufwertungsprozesse und ihre sozialen Folgen erfolgreich eingedämmt werden können.

Spannend wird es, wenn ein tieferer Blick auf die Frage gerichtet wird, welche wohnungspolitischen Instrumente Verdrängung tatsächlich verhindern können, und wo die Grenzen öffentlicher Interventionen liegen.

Justin Kadi zeigt auf, dass die drei in diesem Zusammenhang maßgeblichen wohnungspolitischen Instrumente – sozialer Wohnbau, sanfte Stadterneuerung und Mietrecht – alle neben ihren unbestrittenen positiven Wirkungen auch sehr wohl Schwächen aufweisen.  

Und: Seine Analyse zeigt auch, dass neoliberale Reformen der Wohnungspolitik in den letzten Jahrzehnten verstärkt gewerbliche Bauträger aufgewertet haben und dass Mietpreisbindungen immer öfter zeitliche Begrenzungen aufweisen.

Zitat: „Der marktorientierte Umbau des Mietrechts (flexiblere Mietzinsfestsetzung, Befristungen, Lagezuschlag) ist ein weiteres Beispiel, wie neoliberale Reformen die Dekommodifizierung von Wohnraum ausgehöhlt, und damit auch Verdrängungsprozesse in der Stadt erleichtert haben.“

Die Immobilienwirtschaft, stellt Justin Kadi dabei fest, hat es in letzter Zeit immer besser geschafft, die regulatorischen Lücken zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen. Tendenz, so wie es aussieht: Steigend.

Peter Bleier / Martin Grabler

Quelle: Kadi, J. (2021). Wie Verdrängung verhindern? Eine kritische Betrachtung der Wiener Wohnungspolitik. In: Glatter, J. & Miessner, M. (Hg.) Gentrifizierung und Verdrängung: Aktuelle theoretische, methodische und politische Herausforderungen. Bielefeld: transcript, 237-254.

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