Spekulation & Abriss
Interview mit BR Manfred Itzinger von Michael Josef Seiss zum Abriss des „Sperl-Hauses“ auf der oberen Wieden.
Ein Beispiel des Verlustes von leistbarem Wohnraum aus dem Bezirk
Geboren 1942 ist Manfred Itzinger seit 1990 Bezirksrat der Wiedner Grünen und somit ein politisches Urgestein auf der Wieden. Er studierte Bauingenieurswesen und legt in seiner politischen Arbeit den Fokus auf Verkehr & Bau. Er ist stellvertretender Vorsitzender im Bauausschuss der Bezirksvertretung.
Lieber Manfred. Erzähle mir doch bitte was da aus deiner Sicht passiert ist mit dem Sperl-Haus auf der oberen Wieden?
Nun, alles begann mit der überraschenden Nachricht -ich weiß nicht mehr von wem-, dass das Sperl-Haus eben abgerissen werden sollte. Da es sich bei dem Restaurant Sperl um ein gut gehendes Wirtshaus handelte hatte ich nicht damit gerechnet. Ein „Halten Verboten“-Schild in der Mommsengasse bestätigte scheinbar den Verdacht. Ich rief daraufhin Barbara Neuroth (Bezirksvorsteher-Stellvertreterin) und Ursula Machold (Bezirksrätin) an und wir trafen uns um zu planen ob und was wir dagegen unternehmen können.
Das heißt ihr habt von Anfang an etwas tun wollen?
Spätestens ab dem Moment wo uns klar wurde, dass mit dem Abriss des Hauses 12 Wohnungen mit Mietzinsdeckelung, und somit 12 leistbare Wohnungen, vom Markt gerissen werden.
Wie ging es dann weiter?
Wir haben einen Flashmob als Protestform entwickelt und sind dann pressewirksam vor das Sperl-Haus gegangen und haben zu 8 gegen den Abriss protestiert. Wir ahnten damals noch nicht welche Lawine wir lostreten.
Was meinst du mit „Lawine“?
Nun es stellte sich in den Zeitungsartikeln des Kurier heraus, dass der Hintergrund des Abriss eine geplante Baurechtsänderung in Wien war, welche mit 01. Juli in Kraft treten sollte. Mit dieser Novelle war der Abriss von älteren Häusern erschwert. In ganz Wien begann man rasch mit den Abbruch von ca. 80 Häusern. Das entwickelte dadurch eine ganz andere politische Dimension.
Und konntet ihr etwas bewirken?
Zumindest Öffentlichkeit durch Fernsehen und Zeitung erreichen. Auch kamen wir mit vielen Anrainer*Innen ins Gespräch als wir beim Abriss vor Ort Stellung bezogen. Der Grundtenor war allgemeine Überraschung und Bedauern um den Verlust des Wirtshauses. Aktuell ist der Abriss ja gestoppt und wir hoffen dass das Gericht entscheidet das Haus, welches 1847 erbaut wurde, ist noch immer erhaltungswürdig und muss wieder in Stand gesetzt werden.
Was hast du gelernt aus den Ereignissen?
Nun ich fühlte mich vor allem von den Behörden im Stich gelassen. Zahlreiche Übertretungen beim Abriss wurden nicht geahndet. Die Firma hatte mehrere Aufträge in Wien und improvisierte, wie z.B. durch die Gehsteigabsperrung mittels Bürodamen. Gelernt wohl dass Aktionismus sich lohnt, auch wenn wirklicher Aktionismus wohl eine Hausbesetzung beinhaltet hätte, aber das war nie meines.
Wie lauten als Bezirksrat deine politischen Forderungen aus der Aktion?
Wir Wiedner Grünen fordern den Wiederaufbau. Sollte das nicht möglich sein, so zumindest zwölf leistbare Wohnungen, wie Sie im ursprünglichen Haus waren und eine gute architektonische Arbeit, da hier auch ein Stück Wiener Geschichte verlorenging.
Danke für das Gespräch.
FACT-BOX
Am 23.06.2018, einem Samstag,wurde begonnen das Dach des „Sperl-Hauses“ abzutragen. Innerhalb von etwa einer Woche sieht das Haus aus wie eine Ruine, bevor die MA19 aufgrund der neuen Baurechtsnovelle den Abriss stoppt. Aktuell liegt der Fall des Abrisses bei Gericht. Dieses hat nun zu entscheiden ob der Abriss fortgesetzt werden kann oder ob rückgebaut werden muss. Bis diese Entscheidung vorliegt, sorgen Wind und Wetter für weitere Schädigung des Gebäudes. Die Wiedner Grünen sind aktuell im Gespräch mit dem neuen Eigentümer um eine politische Lösung zu finden.