Häuser befreien und bewohnen

Dem Gemeinwohl verpflichtet sein, das alternative Wohnprojekt Habitat

von Dieter Scholz

Die Baugruppe Bikes and Rails errichtet im Gelände hinter dem Wiener Hauptbahnhof ein Passivhaus mit 18 Mietwohnungen, Flüchtlings Willkommen WG, Gemeinschaftsterrasse, Veranstaltungsraum, Radwerkstatt, Proberaum und Grätzlcafe.
Die Grundidee: Das Mietshaus wird dem Immobilienmarkt entzogen und sichert selbstverwalteten und bezahlbaren Wohn-, Arbeits-, und Kulturraum für viele Generationen.
Und zwar so:

Das habiTAT-Modell

Im habiTAT-Modell liegt der Eigentumstitel bei einer Hausbesitz-GmbH, in unserem Fall die „Bikes and Rails – Gesellschaft für solidarische Hausprojekte GmbH“. Gesellschafter*innen dieser GmbH sind zum einen der Hausverein Bikes and Rails mit 51% und zum anderen der Solidarverbund des habiTAT mit 49%. Die GmbH kauft das Haus und verwaltet die Direktkredite. Der Bikes and Rails Hausverein übernimmt als größerer Gesellschafter die Geschäftsführung der GmbH und als Generalmieter die Hausverwaltung. Er entscheidet autonom über alle Belange des täglichen Zusammenlebens. Das habiTAT besitzt ein Vetorecht gegen den Verkauf des Hauses. Ziel ist es, Immobilien und deren Nutzung und Pflege zu vergemeinschaften.

Das habiTAT ist ein Zusammenschluss von Hausprojektinitiativen in ganz Österreich und nimmt in der GmbH die Rolle einer Wächterorganisation ein, um Spekulation mit der Immobilie zu verhindern. Ein Verkauf des Hauses würde die Zustimmung aller beteiligten Hausprojekte benötigen und ist damit praktisch unmöglich. Gemeinsam entwickeln sich die Hausprojekte weiter und stehen sich gegenseitig mit Rat und Tat zur Seite.

Die Rechtsstruktur (https://www.bikesandrails.org/wp/rechtsstruktur/) ist wie beim Mietshäuser Syndikat Deutschland. Es ist dadurch sichergestellt, dass die Bewohner kein persönliches Eigentum erwerben, aber selbstverwaltet und autonom wohnen.
Zur Realisierung eines solchen Projektes bedarf es nicht nur einer kundigen Baugruppe, der hier die Stadtforscher Elke Rauth und Christoph Laimer angehörten, sondern auch der Unterstützung der Kommunalpolitik. Auf dem Wiener Hauptbahnhofgelände wurden vier Grundstücke zu einem leistbaren Grundstückspreis an Baugruppen vergeben. Es bedarf aber auch privater Kreditgeber, die bereit sind, hier zu 1 – 2% Zinsen ihr Geld zu investieren und dann auch noch eine Bank zu finden, die den restlichen benötigten Kredit zu angemessenen Konditionen vergibt.

All das gelang nach vielen Gesprächen mit einer Bank, die einen Geschäftsbereich besitzt, der mit gemeinwohlorientierten Vereinen und der Finanzierung von Projekten Erfahrung hat.
Nach gut fünf Jahren Planung erfolgt die Schlüsselübergabe heuer im Frühjahr (https://www.bikesandrails.org/wp/news/).
Weiters geplant ist auch, auf diese Art Häuser zu erwerben und ebenso nach dem Modell der Verwertung durch den Immobilienmarkt zu entziehen.
Es bedarf einfach vieler Alternativen zur bestehenden Betongold Mentalität.
Weitere Informationen:
https://www.bikesandrails.org/wp/
https://habitat.servus.at/
Das Deutsche Mietshäusersyndikat: https://www.syndikat.org/de/
Quelle: Die Presse


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