Sie lernen es nie; Graz und der Wohnungsbau.

Baukräne und Schwerverkehr dominieren derzeit das Stadtbild von Graz – also alles, was eine intensive Bautätigkeit so mit sich bringt. Corona hat da nichts gestoppt, der Wohnungsbau schreitet munter voran, das billige Geld will investiert werden.

Graz hat zurzeit 331.000 Bewohner*innen, denen 202.000 Wohnungen zur Verfügung stehen. Von Jänner 2016 bis Jänner 2021 gab es einen Bevölkerungszuwachs von 16.098 Bewohner*innen, denen 26 322 neue Wohnungen gegenüberstehen. 

15.000 Wohnungen sind noch in der Pipeline, also gibt es bei nur geringfügigem Geburtenüberschuss einen Leerstand von geschätzten 6.000 bis 7.000 Wohnungen. Anhand des Stromverbrauches könnten viel exaktere Zahlen ermittelt werden.

Es gibt also keine Korrelation zwischen dem Wohnungsbedarf in Graz und den seit 2016 geplanten Neubauten. Überwiegend werden also Vorsorgewohnungen angeboten, oft genug als „Wohntraum“ vermarktet.

An sich kann ja im privaten Bereich Geld mit fraglicher Rendite eingesetzt werden, aber dies gilt nicht, wenn es um Stadtentwicklung und Stadtplanung geht, denn Stadtplanung – und das sagt schon das Wort – hat vorrausschauend angelegt zu sein. Der Stadt hat den Grundbedürfnissen der Bewohner*innen und nicht Partikularinteressen zu dienen. Verdichtung und Bauen sind nur dort vertretbar, wo Infrastruktur, Erschließung und Anbindung an den öffentlichen Verkehr gegeben sind. So sieht es auch das aktuelle Grazer Stadtentwicklungsprogramm vor.

Aber: Wie sieht es in der Realität aus? Es gibt Bauträgerwettbewerbe nach dem „Grazer Modell“ am Stadtrand ohne jegliche Anbindung an den öffentlichen Verkehr und Verdichtung in Villenvierteln, wo möglichst auch das letzte Grün verbaut wird und auch kein öffentlicher Verkehr gegeben ist.

Dabei erstickt Graz jetzt schon im Autoverkehr, nicht zuletzt durch zahlreiche Einpendler. Der Anteil von 34,1% Autoverkehr ist für eine Stadt dieser Größe erschreckend hoch. Selbst die Hagelversicherung appelliert seit Jahren gegen die Bodenversiegelung. Alles kein Hindernis für den Grazer Bauboom.

Die neuen Bewohner*innen werden immer weiter hinaus aus der Stadt ziehen und dann schreien, dass sie mehr und breitere Straßen brauchen. Wie beim Wiener Speckgürtel, wo entgegen vollmundigen Ankündigungen viele Planungsobjekte ohne ausreichenden Anschluss an den öffentlichen Verkehr entwickelt werden.

Quelle: Presse, Spektrum 17. Juli 2021

Dieter Scholz

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