„Gebäudetyp E“ – mit weniger Baunormen Kosten senken?

Das Deutsche Architekturblatt geht in ihrer aktuellen Recherche der Frage nach, inwieweit eine immer größer werdende Flut an Baunormen für immer heftiger wachsende Kosten bei der Schaffung von Wohnraum, sei es Neubau oder die Generalsanierung von Althäusern, sorgen.

In einem Gespräch mit Andrea Gebhard, Präsidentin der Deutschen Bundesarchitektenkammer wird gleichzeitig der Frage nachgegangen, welche Wege geeignet sind, aus dieser Situation auch wieder herauszukommen.

Vorweg: Es geht um die Situation in Deutschland, aber vieles davon gilt genauso gut in Österreich bzw. in Wien. DIN-Normen haben Einzug in verbindliche Regulative gefunden, die über die Gesetze hinaus verpflichtend beachtet werden müssen, weil sie nach Fachmeinung zu den „anerkannten Regeln der Technik“ gehören. Gleiches gilt für OIB-Richtlinien, auf die sich die Wiener Bauordnung bezieht und damit quasi zu einem Bestandteil jeder Baugenehmigung macht.

In Österreich gibt es im Bereich des Bauens (Tiefbau inklusive) in etwa gleich viele Regeln wie Baumeister*innen und Zivilingenieur*innen, nämlich jeweils rund 27.000.

In Deutschland, so die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer gibt es eine mittlerweile ebenfalls sehr unübersichtlich gewordene Flut an Normen, sinnvolle wie weniger sinnvolle, Bestimmungen, die sich teilweise sogar widersprechen. Wenn eine Architektin oder ein Architekt nur eine einzige nicht beachtet, egal ob wissentlich oder nicht, kann sie oder er verklagt werden.

Die saloppe Frage des Deutschen Architekturblattes dazu, ob man denn all diese Regeln beim Entwerfen und Planen noch im Kopf haben kann, beantwortet Gebhard mit einem klaren nein. “Das ist ausgeschlossen“, so die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, und, weiter: „Wir brauchen eine Rückkehr dahin, dass einfaches Bauen wieder möglich wird.“

Der Vorschlag dazu: eine radikale Entschlackungskur, nicht eine Norm hier rauszunehmen und eine dort, sondern einen echten Befreiungsschlag zu wagen. Die Bundesarchitektenkammer hat dafür die Idee eines neuen Gebäudetyps E entwickelt – E wie Experiment oder Einfach.

Wenn man nach diesem Gebäudetyp E baut, bleiben die grundsätzlichen Schutzziele der Bauordnungen – also Standsicherheit, Brandschutz, gesunde Lebensverhältnisse und Umweltschutz – unantastbar. Aber alles andere kann dann zwischen Bauherrn und Architektin entwickelt und vertraglich vereinbart werden.

Der Gebäudetyp E soll dabei Innovationen Raum geben, die Entwicklung neuer Ideen soll gefördert werden, ohne dass unzählige Normen geändert werden müssen. Nebenbei: Keine einfache Aufgabe, denn dafür müsste das Bürgerliche Gesetzbuch geändert werden.   

Martin Grabler

Quelle: DAB Deutsches Architekturblatt Ausgabe 12.2022, unter dem Titel „Wir wollen einen echten Befreiungsschlag wagen!“ erschienen

Share

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Post comment