Der Berliner Mietdeckel: So sieht´s jetzt aus!
Der Berliner Mietdeckel (siehe auch frühere Blogbeiträge) trat am 23. Februar 2020 in Kraft. Beschlossen wurde das Gesetz vom Berliner Senat mit den Stimmen von SPD, Grünen und der Linken am 18. Juni 2019.
Kurz zur Erinnerung: Zu diesem Stichtag wurden in Berlin die Mieten eingefroren. Auch bei Abschluss eines neuen Mietvertrages darf die Miete nicht höher liegen als der Betrag, den der Vormieter am 18. Juni 2019 gezahlt hat. Außerdem wurden Höchstwerte festgelegt, die je nach Baujahr und Ausstattung zwischen 3,92 €/m2 und 9,80 €/m2 liegen.
Modernisierungen, die in Berlin von der Immobilienwirtschaft gerne genutzt wurden, um durch drastische Erhöhung der Mieten Objekte zu entmieten, dürfen nur noch Maßnahmen zur Energieeinsparung und zur Barrierenbeseitigung dienen und die Nettomiete um höchstens 1€/m2 erhöhen. Neubauten ab 2014 fallen nicht unter den Mietdeckel.
Ein großes Aufheulen der Immobilienwirtschaft, der Betongoldheuschrecken war die Folge: Enteignung von Eigentum, Verhinderung von Neubau, zu gering zur Erhaltung, DDR-Zustände mit verfallenden Häusern etc.
Wirklich sind die Investitionen in Neubau 2019 gesunken, aber das war zum Großteil nur eine vorübergehende „Drohreaktion“. Im Jahr 2020 stiegen diese Investitionen um en Vielfaches an. Erst durch den lock down der Pandemie gab es wieder ein kleines Minus.
Anders als bei uns in Wien, ist in Berlin der Gemeinwohl-orientierte Sektor (kommunale und gemeinnützige Wohnungsunternehmungen sowie Genossenschaften) klein, da ein früherer, CDU geführter Stadtrat, eine große Privatisierung (Verkauf vom kommunalen Wohnungsbestand) durchgeführt hat. Der Glaube an die unsichtbare Hand des Marktes, aber auch die Bedienung der eigenen Klientel. Kommt uns doch bekannt vor.
Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, Verteuerung von Grund und Boden, kein kommunaler Neubau mehr, hat die Situation wesentlich verschlimmert. Erst seit 2014/15 und vor allem seit Rot-Rot-Grün wird wieder kommunal gebaut. In Innsbruck, Graz und Salzburg dürfte die Situation der Berliner Wohnungsnot mehr gleichen.
Trotzdem waren die Unionsgeführten Regierungen im Bund zu keiner Regulierung bereit, nicht einmal bei der spekulativen und Spitzenrentierte orientierten Immobilienwirtschaft.
Natürlich hat letztere den Mietdeckel massiv angegriffen. Gerne unterstützt mit von der CDU und den Wirtschaftsliberalen (FDP und Teile der SPD!). Ziel war für Unsicherheit und Unruhe bei zukünftigen MieterInnen.
Bundestagsabgeordnete von CDU und FDP haben gegen dieses Gesetz geklagt. Es wird erwartet, dass der Bundesverfassungsgerichtshof im zweiten Quartal 2021 sein Urteil spricht. Die Berliner Koalition ist trotz allem zuversichtlich, dass das Gesetz hält.
Aber es ist juristisches Neuland. Alle gehen auf Nummer sicher, auch der Berliner Senat rät dazu, die eingesparten Mietbeträge zur Seite zu legen. Schattenmieten und Sonderklauseln sind in den neuen Mietverträgen reichlich vertreten (siehe auch: https://www.berliner-mieterverein.de/maagazin/online/mm0820/umgehung-des-mietendeckels-durch-schattenmieten-und-andere-hntertueren-0820022.htm) Aber der größte Teil der VermieterInnen hält sich daran. Es bleibt also noch die Lage etwas angespannt.
Dass in Berlin und wohl auch in vielen anderen Städten ein echter Notfall und keinerlei „Eigentum verpflichtet auch gesellschaftlich“ mehr herrscht, ist fast unbestritten.
Ob eine Stadtregierung hier die Notbremse ziehen kann, wird sich zeigen. In Österreich ist das Mietrecht Bundesrecht. Eine Änderung, wie die schon länger erhobene Forderung der Grünen Österreichs, die willkürlich gezogene Jahresgrenze 1945 (bis dahin greift die Altbauregelung) adäquat anzuheben, wird erst bei einer progressiven, nicht ÖVP/türkis geführten, Regierung benötigen.
Dieter Scholz
Quelle: grüne Fraktion Berlin, Büro Karin Schmidberger, Infoseite der Senatsverwaltung: https://mietendeckel.berlin.de/; https://gruene.fraktion.berlin/faq-mietendeckel/