Teurer, teurer so geht’s bei den Mieten: Neue Praktiken bei den Lagezuschlägen

Die Mieten in begehrten Lagen werden auch in Wien immer teurer. Denn das für Altbauten geltende Richtwertsystem wird mit neuen Praktiken oft erfolgreich ausgehebelt. Wenn Mieter*innen ihre stark gestiegenen Altbaumieten bei der Schlichtungsstelle überprüfen lassen, sieht sich die Schlichtungsstelle primär den Lagezuschlag (siehe dazu „Lagezuschlag“, „Lagezuschläge“ in früheren Blogbeiträgen) an.

Der ist nämlich eine wesentliche Komponente bei der Berechnung einer Altbaumiete. Dazu gibt es die Lagezuschlagskarte der Stadt Wien. Das nicht überraschende Ergebnis: oft sind die Mieten zu hoch berechnet.

Vermieter*innen akzeptieren aber entgegen dem bisherigen Brauch das Ergebnis der Schlichtungsstelle oft nicht mehr, sondern schalten das Gericht ein. Dann braucht es einen Gutachter, der vom Gericht beauftragt wird, die Lagequalität der entsprechenden Adresse zu beurteilen.

„Und da lesen sich manche Sachverständigengutachten wie Exposés von  Immobilienmakler*innen“ kritisiert Wolfgang Kirnbauer, langjähriger Mitarbeiter beim Mieterschutzverband. Besonders bei den inneren Bezirken werde von Sachverständigen „für nahezu alle Lagen eine überdurchschnittliche Lage festgestellt, die die Schlichtungsstelle noch als durchschnittliche Lage angesehen hat“.

Denn dann kann ein Lagezuschlag eingehoben werden. Und dieser Unterschied ist für Vermieter*innen lukrativ. Oft kommen so vier bis fünf Euro pro Quadratmeter an Miete dazu. Weiters, wenn die Mieter*innen verlieren, müssen sie auch noch das Gutachten bezahlen, oft ein vierstelliger Betrag.

Dass die Schlichtungsstelle Mieten ansetzt, die die Heuschrecken nicht akzeptieren wollen, hängt mit einem OGH Beschluss aus dem Jahre 2017 zusammen. Zu der Frage, ob eine Lage durchschnittlich sei, dürfen nicht nur die Grundkosten herangezogen werden, es sei vielmehr auf die „allgemeine Verkehrsauffassung“ und die „Erfahrung des täglichen Lebens“ abzustellen.

Als Konsequenz bremste die Magistratsabteilung 50 bei der Berechnung der neuen Lagezuschlagskarte. Die Gebiete wurden neu berechnet und neu definiert. Mit dem Effekt, das in vielen Toplagen zwar in Gürtelnähe, aber eben in heutzutage so beliebten Bezirken wie Neubau, Josefstadt und weiten Teilen Margaretens laut Karte gar keine Lagezuschläge mehr berechtigt sind.

Dies will die Immobilienwirtschaft nicht hinnehmen. Und zieht vor Gericht unter massiver Verwendung von mit Steuergeldern errichteten Parks, Schulen, Öffi-Anbindungen als Aufwertungsfaktoren, die einen Lagezuschlag gerechtfertigten. Besonders ärgerlich dabei ist, dass so gut wie alle Sachverständigen der Immobilienbranche zuzurechnen sind. Da ist es mit der Neutralität oft schnell vorbei.

Es ist ja eine alte Forderung der Grünen, dass durch die öffentliche Hand finanzierte Lageverbesserungen, eben wie U-Bahn, Schulen, Fußgängerzonen, Begegnungszonen und Parks keinesfalls in die Beurteilung einer Lage für den Lagezuschlag einzuberechnen sind.

Da das Mietengesetz ein Bundesgesetz ist, sind die Möglichkeiten der Stadt Wien begrenzt, aber es gibt doch das grüne Sozialministerium …

Dieter Scholz. Quelle: Der Standard 1. Mai 2021 Wochenendausgabe

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